Lieblinge – Ridley Scott

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Ridley Scott hat keine Zeit zu verlieren. Erst mit 40 drehte er seinen ersten Spielfilm (Die Duellisten), mit 70 blickt er auf inzwischen über 20 Filme als Regisseure zurück. Als Produzent arbeitete er an weit über 40 Filmen mit. Wie auch David Fincher arbeitete Scott zuerst in der Werbebranche. Wenn er Regie führt, bereitet er sich akribisch auf seine Drehs vor. Wenn er ans Set kommt, weiß er, wo die Kamera stehen muss und welche Requisiten gebraucht werden. Er dreht selten mehr als 3 Takes. Laut Eigenaussage braucht er gerade einmal ein Drittel der Zeit, die andere Regisseure fürs Filmemachen benötigen. Er denkt ans Budget. Er ist ökonomisch und effizient.
Es gibt Menschen, die ihm das vorwerfen. Die meinen, seine Effizienz würde zugunsten der Qualität gehen. Die Hälfte seiner Filme waren Flops an den Kinokassen.
Trotzdem gilt er als einer der wichtigsten Regisseure unserer Zeit. Zu Recht.

Auch ich finde nicht alle seine Filme gelungen – Hannibal (der dritte Film aus der Reihe um Hannibal Lecter) beispielsweise war voll von lächerlichen Szenen, die die Figur des Hannibal Lecter geradezu demontierten. Kingdom of Heaven war für mich eine Materialschlacht ohne Herz.
Aber es gibt für mich genug positive Gegenbeispiele, die ich hier gern aufzähle. (Über Blade Runner muss ich dabei sicher nicht reden, oder?!)

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Verbotene Praktiken

Das Plakat zu „Horsemen“

via iwatchstuff.org
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Was wir sehen: Den Kopf eines Mannes. Seine Augen sind zum einen vom Schriftzug des Filmtitels „Horsemen“ verdeckt, zum anderen befinden sie sich hinter einer seltsamen Konstruktion, die (hoffentlich!) aus Stoff und Metallhaken zu bestehen scheint und dem Mann die Sicht nimmt. Der Hintergrund ist schwarz und nur das Gesicht des Mannes wird von einer Lichtquelle beleuchtet, die von vorn kommt.

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Lieblinge – Gus van Sant

Gus van Sant erwischte mich mit „My Own Private Idaho“ – noch nie hatte ich einen solch‘ wuchtigen Film gesehen, der so ruhig war.
van Sants Kunst liegt für mich in der Auslassung. (Ich wollte schon immer mal grammatikalisch korrekt einen Satz mit einem kleinen Buchstaben beginnen :-)
Er ist mutig genug, das aus dem Design bekannte „Mut zur Lücke“ auf Film zu übertragen. Das geht teilweise so weit, dass manche ihm vorwerfen, „Gerry“ sei eine einzige Lücke. „Gerry“ ist für mich aber genau der Film, bei dem van Sants Kunst am klarsten zu Tage tritt. Es geht um Gerry (Matt Damon) und Gerry (Casey Affleck), die sich auf einen Trip in die Wüste begeben, um ein nicht näher beschriebenes Ding „the thing“ zu erkunden. Statt „Waiting for Godot“ folgt nun „Walking for Godot“ – denn die beiden verirren sich schon ganz zu Anfang des Filmes und versuchen ab da, einen Ausweg zu finden. Dabei reden sie kaum miteinander. Sie laufen einfach. Es gibt eine Einstellung im Film, die eine meiner „Lieblingseinstellungen aller Zeiten“ ist: wir sehen eine Nahaufnahme, bei der wir uns seitlich der Charaktere befinden und deren Profil sehen – Matt Damon im Hintergrund, Casey Affleck im Vordergrund. Die beiden laufen über den trockenen Wüstenboden. Für 3 Minuten und 15 Sekunden wird das Geräusch der Schritte und die Bewegung der Köpfe zu einem Rhytmus, dessen meditativem Charakter ich mich nicht mehr entziehen konnte. Im gesamten Film hören wir nur ab und an zart Arvo Pärts „Alina“ und „Spiegel im Spiegel“ durchklingen. Das ist der einzige artifizielle Sound, den van Sant uns erlaubt und der nötig ist.
Wohin (uns!) die Reise führt und was am Ende passiert ist nicht so wichtig, wie der Weg, den die beiden zurücklegen und deshalb fand ich den Film, der diese einfache Philosophie so perfekt in Bilder übersetzt, wunderbar und poetisch.

Gus van Sant überträgt viele Techniken, die man aus der Fotografie kennt auf den Film: Doppelbelichtungen etwa oder Langzeitbelichtungen. Seine Einstellungen sind immer so aufgebaut, dass man fast jeden Frame auch als Bild ausdrucken und an eine Wand hängen könnte.
Außerdem ist er ein Meister des Zeitraffers – und dabei mag er offensichtlich vor allem Wolken – ein Motiv, welches in vielen seiner Filme immer wiederkehrt – am eindringlichsten für mich in „My Own Private Idaho“. Aber auch in „Elephant“ erinnere ich mich an diese Bilder.

Das erstaunliche an van Sant ist, seine Fähigkeit, mühelos zwischen gefälligem und anspruchsvollem Mainstreamkino (Good Will Hunting, Finding Forrester) und intellektuellem Independentkino (Elephant, Gerry, Last Days) zu wechseln und in beiden Disziplinen zu brillieren. Ein Talent, was beispielsweise Steven Soderbergh, der dies auch öfter versucht, für mich nicht hat – Soderbergh ist beim Unterhaltungskino einfach besser, als bei seinen Filmexperimenten (Full Frontal).
van Sant stellt mit seinen Filmen existentielle Fragen. Ihn interessieren keine Oberflächlichkeiten, er zeigt Fassaden so lange, bis sie bröckeln. Er arbeitet in oft mit Laiendarstellern zusammen (die extremsten Beispiele sind hier Elephant und Paranoid Park) und hat keine Angst vor gigantischen, übergroßen Gefühlen.

Und er hat Humor. Mit „Even Cowgirls Get The Blues“ verfilmte er eines meiner Lieblingsbücher von Tom Robbins – eine Geschichte über eine Tramperin mit einem übergroßen Daumen, gespielt von der fabelhaften Uma Thurman, die am Ende ihrer Reise auf einer Farm mit lesbischen Cowgirls landet. Außerdem brachte er sogar Nicole Kidman auf Hochtouren – in der tiefschwarzhumorigen Mediensatire „2 Die 4“, in der Kidman eine überehrgeizige Wetterfee spielt, die nicht immer mit sauberen Mitteln arbeitet.

Frauenfiguren bei van Sant sind immer interessant – sie sind Mutter, Geliebte, Veehrte. Sie sind nie psychotisch oder hysterisch. Auch seine Männerfiguren sind ungewöhnlich – sie haben den Mut, Gefühle zu zeigen, mit kleinen Worten und in großen Gesten.

Wenn David Fincher Technik ist, Paul Thomas Anderson eine Kombination aus Technik und Gefühl, so ist Gus van Sant reines Gefühl.

Meine Top-5-van Sant-Momente

5. Paranoid Park: Zwei Skateboarder in einer Röhre, bei der die Beleuchtung nur das „Licht am Ende des Tunnels“ ist skaten zum „Song Two“ von Ethan Rose.
4. Elephant: Alex (Alex Frost) und Eric (Eric Deulen) verbringen einen gemeinsamen Nachmittag: Alex spielt Klavier (Beethovens Mondscheinsonate & Für Elise), während Eric liest und sich dann lakonisch mit einem Egoshooter-Spiel beschäftigt.
3. Good Will Hunting: der Psychologe Sean Maguire (Robin Williams) versichert Will (Matt Damon) immer wieder „du kannst nichts dafür“, bis dieser es auch glaubt.
2. My Own Private Idaho: die Eröffnungssequenz, bei der wir Mike (River Phoenix) zum ersten Mal treffen und einen seiner Narkolepsieanfälle erleben.
1. Gerry: die oben erwähnte Endloseinstellung, in der Gerry und Gerry 3 Minuten und 15 Sekunden miteinander laufen.

Lieblinge – Paul Thomas Anderson

Der erste Film, den ich von PTA gesehen habe, ist „Boogie Nights“. Ich war völlig hinweg von der Eröffnungssequenz – eine so lange Steadicam-Aufnahme ohne Schnitt hatte ich noch nie gesehen. Die Kamera fährt von einer Leuchtreklame auf den Dächern eines Hauses über eine Straße, in einen Club hinein und heftet sich dort an die Fersen von Maurice (Luiz Guzman), dem Manager des Clubs. Wir lernen auf seinem Rundgang durch den Club so alle Hauptdarsteller kennen.
Der erste Schnitt erfolgt, wenn die Kamera auf Dirk Diggler (Mark Wahlberg) trifft.
Diese langen Kamerafahrten sind zu einem Markenzeichen von Paul Thomas Anderson geworden und ich finde, ich bin noch nie so direkt in eine Geschichte hineingezogen worden, wie bei ihm.
Neben Tarantino ist Anderson einer der Regisseure, die die Musik im Film nicht nur im Hintergrund als subtilen Klangteppich laufen lassen. Beide lassen die Musik teilweise über lange Zeit noch vor den Originalton treten, oder blenden vom O-Ton in die Musik über. Da sie beide glücklicherweise einen guten Geschmack haben und das Talent, eine Szene durch die Musik komplett umzudrehen, ist das eines der Merkmale, was mir bei ihnen immer gefällt.
Anderson hat Magnolia ja praktisch als Film zur Musik von Aimee Mann angelegt. Grandios!

Andersons Kunst besteht für mich darin, Gefühle zu Bildern zu machen.
Punch Drunk Love ist hier wohl das extremste Beispiel – die eigentliche Geschichte (ein neurotischer Geschäftsmann wird erpresst und findet die Liebe) – tritt hinter den Emotionen zurück. Der Film beschreibt punktgenau fundamentale Gefühle: Unsicherheit, Demütigung, Verwunderung, Freude, Hass, Hilflosigkeit, Liebe, Kontrollverlust, Harmonie.
Dabei bedient sich Anderson nicht der klassischen Filmsprache: bei ihm gibt es Farbexplosionen, Geräusche, die zu Musik werden und umgekehrt und minutenlange dialogfreie Einstellungen, die keiner weiteren Eklärung bedürfen.

Anderson ist ein meisterhafter Beobachter zwischenmenschlicher Beziehungen, er sieht und erzählt mit einfachen Mitteln von hochwichtigen Details, die manchmal alles über uns verraten. Ein fast unmerklicher Seitenblick, eine kleine Geste.
Dabei findet er Bilder, die uns überraschen und die verstandesmäßig nicht zu fassen sind, aber direkt ins Herz treffen.
Manchmal ist das nur ein winziger Blutstropfen auf einem Ärmel (Sidney), manchmal ein erlösender, kathartischer Froschregen (Magnolia).
Da funktioniert ein Musikstück, bei dem die Protagonisten unerwartet mitsingen genauso wie der Kampf eines Ölmagnaten mit einem jungen Prediger, bei dem es sehr persönlich wird (There Will Be Blood).

Meine Top-5-PTA-Momente

Achtung: mögliche *SPOILER*

5. Boogie Nights: die oben erwähnte Eröffnungssequenz
4. There Will Be Blood: die unglaubliche Schlussszene. (no spoilers attached)
3. Sidney: Sidney erläutert dem Ganoven Jimmy, warum er ihn nicht töten sollte.
2. Punch Drunk Love: Nachdem Barry fünf Minuten lang von seinen 7 Schwestern gedemütigt wurde, tritt er die Glastüren der Terrasse ein. Und sucht dann Hilfe bei einem seiner Schwager. Einer der traurigsten Dialoge meiner Filmgeschichte.
1. Magnolia: der erlösende Froschregen. Noch nie war Regen so bedeutsam, verwirrend und trotzdem zutiefst verständlich.

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Lieblinge – David Fincher

Unter diesem Titel werde ich zukünftig über Filme und Regisseure schreiben, die ich mag.

Heute geht es also um David Fincher.

Der erste Film, den ich von Fincher sah, war „Se7en“ im Jahre des Herrn 1995. Das ist eine kleine Ewigkeit her, aber ich erinnere mich noch genau: ich habe mir den Film 3 Mal im Kino angesehen und sogar einmal meine Mutter überredet, mitzukommen (wobei ich bis heute das Thema des Films nicht sonderlich „Muttertauglich“ finde). Beim dritten Mal nahm ich eine Freundin mit, die mir bis heute nicht verziehen hat, dass ich in der Szene, als das „Trägheits-Opfer“ erwacht, kräftig auf ihren Oberschenkel haute, was sie so erschreckte, dass sie tatsächlich laut schrie…

Seitdem habe ich jeden einzelnen Fincher-Film gesehen (so viele sind es ja noch nicht), sogar Alien III :-)

Ich schätze Finchers ästhetisches Grundverständnis. Bei Fincher kommt die Technik vor der Emotion. Jeder seiner Filme ist vom Vorspann bis zum Abspann durchkomponiert. Er achtet auf Typografie, Ausleuchtung, Musik, Ton, Sounddesign, Schnitt, Setdesign, Kostüm, Drehbuch, Make-Up, Special Effects, verdammt, wahrscheinlich ist sogar das Catering dem Filmthema angemessen!
Ich mag, dass es auf den DVDs zum Film (und bei Fincher habe ich tatsächlich alle Special-Editions) immer sehr viele technische und profunde Einblicke in den Prozess des Filmemachens gibt.
Ich gebe zu, dass man bei Fincher-Filmen dafür manchmal das Gefühl hat, auf eine völlig durchgestylte Welt zu schauen, in der sogar Gewalt ästhetisch ist, sich bei all‘ dem schönen Schein aber außen vor zu fühlen, distanziert von den Protagonisten.
Das ging mir besonders bei „Panic Room“ so, wo die Technik m.E. sogar noch vor der Geschichte kam.
Dafür wird man bei Fincher jedoch von so manchem Darsteller positiv überrascht: Jared Leto habe ich vor „Fight Club“ nicht für furchtlos gehalten. Und sogar Gwyneth Paltrow fand ich in „Se7en“ plötzlich symphatisch.
Apropos: Fincher ist einer der wenigen Regisseure, die Frauenfiguren erschaffen, die ich nachvollziehbar und realistisch finde. Und die mir in einer Natürlichkeit präsentiert werden, die mich an Gleichberechtigung glauben lässt! Das ist keineswegs so selbstverständlich, wie es sich vielleicht anhört; zu einem großen Teil sind Frauenfiguren so häufig ein wandelndes Klischee, dass ich schon nicht mehr an Zufall glauben mag!
Bei Fincher ist „Zodiac“ auf Grund des historischen Hintergrundes der einzige Film, der keine herausragende Frauenrolle hat.

Meine Top 5 Fincher-Momente:

Achtung: mögliche *SPOILER*

5. The Game: Michael Douglas fällt durch das Glasdach eines Hotels in den Saal, in dem gerade seine Geburtstagsfeier stattfindet. Überraschung, Technik, Perspektive, Schnitt!
4. Panic Room: der Vorspann! (Artikel über Vorspänne bei Fincher)
3. Zodiac: der Messer-Angriff von Zodiac auf Bryan Hartnell & Cecilia Shepard: Bei Sonnenlicht eine beängstigende Atmosphäre zu schaffen, ist eine Kunst!
2. Se7en: das „Trägheits-Opfer“ – während wir mit den Ermittlern den Tatort betreten, wollen wir gleichzeitig weg- und hinsehen, welchen Horror sie jetzt entdecken. Nichts kann uns auf das vorbereiten, was wir gleich sehen werden…
1. Fight Club: „I want you to hit me as hard as you can“. Überwältigt saß ich im Kino und wusste, hier geht es nicht um den Schlag ins Gesicht im wörtlichen Sinne, sondern darum, aufzuwachen.

Es gibt sogar ein Weblog, welches sich nur mit Fincher beschäftigt: fincherfanatic.

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